"Der Maler läßt uns an einem Familienkrach teilnehmen. Was ist passiert? Da hat doch dieser Bengel solange auf seinem Schemel geschaukelt, bis er umkippte! Beim Fallen griff der Junge haltsuchend ins Tischtuch und riß mit ihm die ganze Familienmahlzeit herunter.
Jetzt ist er aufgesprungen und weicht ängstlich zurück, denn sein Vater packt ihn kräftig beim Arm und droht ihm wahrscheinlich Ohrfeigen an. Ein jüngeres Geschwisterchen versucht, mit verschrecktem Blick seine Eßschüssel festzuhalten. Die ältere Schwester aber umfaßt begütigend des Vaters Arm, während die Mutter, die das Jüngste auf dem Schoß hält, nur die Hand hebt, als ob sie sagen wollte: 'Ach, gebt doch Ruhe!'
Was es zum Essen geben sollte, kann man deutlich erkennen, denn dort liegt umgestürzt eine große Zinnschüssel am Boden, aus der ein Milchbrei fließt. Nicht weit von einem zerbrochenen Tonteller liegt ein Wecken. An den Fisch dort macht sich die Katze heran - Gelegenheit macht Diebe. Besteck, eine Gabel, ein Messer und mehrere Holzlöffel liegen ebenfalls auf dem Boden. Auf dem Tisch ist nur eine kleine Schüssel stehengeblieben, das Trinkglas mit dem Wein des Vaters liegt umgestürzt daneben. Die Familie hatte vor, zusammen aus der großen Schüssel einen Brei zu essen. Nun ist das Unglück groß, denn in dieser ärmlichen Stube hat man ohnehin nie ausreichend zu essen.
Solche Blicke in den Alltag der Menschen hatten uns zweihundert Jahre früher schon die holländischen Maler tun lassen. Hin und wieder kann man auf den Bildern wie diesem auch sehen, daß die Welt früher nicht so heil war, wie die Maler sie vorzugsweise malten. Unser Maler wohnte in Frankfurt am Main, und dort war er mit dem Arzt Heinrich Hoffmann befreundet. Dieser lernte wahrscheinlich das Bild hier kennen, als es gemalt wurde, und er benutzte es als Anregung zu seiner Geschichte vom
Zappelphilipp in seinem Kinderbuch 'Der Struwwelpeter'."
(Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.): Unsere Kunsthalle. Stuttgart, 3.Auflage 1988, S.36)
|