Hans Thoma (1839-1924)
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"... Kinder tanzen auf einer mit Schlüsselblumen übersäten Frühlingswiese Ringelreihen und singen dazu. Ihre Figuren füllen fast das ganze Bild aus. Einige sind versunken in ihr Spiel. Andere schauen so aus dem Bild heraus, als erwarteten sie Zuschauer bei ihrem Tanz. Weiter hinter der Wiese sieht man Wasser, an dem ein Dorf liegt. In der Ferne steigen schneebedeckte Berge auf. Wenn es im Frühling auf den Wiesen schon Blumen gibt wie hier, dann kann in den Bergen noch Schnee liegen. Die Kleidung der Kinder kommt uns heute altmodisch und sehr einfach vor: Die Mädchen tragen Blusen und lange Röcke oder Kleider, viele auch eine Schürze, manche haben ein Wolltuch über die Schulter gelegt und kreuzweise auf dem Rücken verknüpft. ... Du kannst auf dem Bild rechts unten sehen, wann es gemalt wurde: 1872. Es ist also über 100 Jahre alt. Kein Wunder, daß uns die Kleider fremd erscheinen. In jener Zeit konnte man Stoffe noch nicht so leuchtend färben wie heute. Deshalb sind die Farben der Kleider ziemlich dunkel, die Muster sind einfach. Einige der Kinder sind barfuß. Sind sie so arm, daß sie ihre Strümpfe und Schuhe schonen müssen? Hans Thoma wurde in Bernau im Schwarzwald geboren. Seine Familie war arm wie viele Schwarzwaldbauern in dieser Zeit. Der Vater starb früh, und die Mutter mußte ihre Kinder Agathe und Hans alleine versorgen. Hans Thoma hat Mutter und Schwester sehr geliebt und später immer wieder gemalt. Als er mit seiner Mutter und seiner Schwester in Bernau lebte, trugen alle Bauern noch Trachten: die Frauen lange Röcke und Schürzen darüber, Blusen mit Puffärmeln und ein Mieder. Sieh Dir das einmal auf den Bildern an, die Thoma von seiner Familie gemacht hat. Trachten kennt ihr alle von den Karlsruher Trachtenumzügen, allerdings werden da nur die Sonntagskleider gezeigt. Alltags waren die Trachten so einfach wie die Kleider der Kinder auf dem Bild: es waren Arbeitskleider. Am häufigsten malte Hans Thoma den Schwarzwald bei Bernau und die Gegend um Säckingen am Oberrhein, wo seine Familie später wohnte. Er schilderte diese Landschaften gerne im Sommer, wenn Wiesen und Bäume grün waren, unter einem sonnigen Himmel. Er malte Natur so, wie er sie vor sich sah, und ihm war beides gleich wichtig: ein weiter Blick in ein tiefes Tal oder ein ganz von nahem gesehenes Grasbüschel. Auch in unserem Bild bemüht er sich, die Kinder ganz genau so darzustellen, wie sie in Wirklichkeit aussahen. Er machte deshalb, bevor er zu malen anfing, viele Bleistiftzeichnungen von ihren Gesichtern, den Kleidern, auch ihren Bewegungen. Dazu ließ er die Kinder zu sich in seine Werkstatt kommen. Nachdem er alles gründlich studiert hatte, setzte er sein Bild zusammen und malte die Landschaft dazu. Es ist möglich, daß er auch von der Wiese und den Bergen vorher in der Natur eine Zeichnung machte. Bei der Jahreszahl 1872 hat Hans Thoma auch seine Namen abgekürzt hingeschrieben: Ein großes T und ein kleines h = Th und davor ein großes H. Man nennt solche ineinander geschriebenen Anfangsbuchstaben eines Namens ein Monogramm. Du kannst es mit Deinem Namen auch machen." (Staatliche Kunsthalle Karlsruhe (Hg.): Unsere Kunsthalle. Stuttgart, 3.Aufl.1988, S.42) |