Eine im 19.Jahrhundert weitverbreitete Form der Kinderarbeit war die Beschäftigung als Kegeljungen und Kegelmädchen. Werktags wie sonntags mußten die Kinder auf verdreckten, staubigen Kegelbahnen für einen Hungerlohn den Herren die Kegeln aufstellen - oft bis in die frühen Morgenstunden. So war es kein Wunder, wenn sie am nächsten Tag während des Unterrichts einschliefen, unkonzentriert waren, und der Lehrer bei ihnen mangelnden Fleiß rügte.
Zu solchen schlimmen Auswirkungen auf den schulischen Alltag kamen bei diesen Kindern noch sittliche und körperliche Schädigungen hinzu. Kegeljungen, wie der, den Hasenclever auf seinem Bild sehr lebensnah darstellt, verrichteten ihre Arbeit ohne verständige Aufsicht, und so kam es, daß sie sich in freien Augenblicken der nicht ausgetrunkenen Gläser bedienten. So eine "Halsspülung" machte die harte Arbeit für die Kinder (scheinbar) etwas erträglicher. Auch dieser Junge, der gerade gierig ein Glas leert, wird angetrunken die Erschöpfung und Übermüdung zur nächtlichen Stunde leichter überstehen.
Wenn die Kinder einmal keine Kegeln aufsetzten, mußten sie Flaschen spülen oder Geschirr einräumen. Vieleicht versuchte das eine oder andere Kind einmal zwischendurch zu schlafen - was bei diesem Lärm jedoch selten von Dauer war.
Beschäftigungen, wie die dargestellte, die keineswegs den kindlichen Kräften entsprachen, waren allerdings üblich und wurden von den Erwachsenen still geduldet - wenn nicht sogar erwartet. Nach dem amtlichen Bericht der Gewerbeaufsicht für Preußen arbeiteten um 1850 (eine genauere Zeitangabe läßt sich nicht finden) über 12.000 Kinder als "Kegeljungen" in den Gastwirtschaften. Wie es dabei zugegangen sein mag, verdeutlicht folgende Schilderung:
"..."Alle Neune! Tambour! Grenadier!" - so schreit Franz der Kegeljunge, der "im Krug zum Grünen Kranze", wo Damen im Kostüm den Gerstensaft kredenzen, bis spät in die Nacht hinein. Manchmal setzt der arme Kerl sechs oder mehr Stunden hintereinander auf. Daß der schweißtriefende Junge auch essen muß - inzwischen - daran denken die Herren Kegler nicht. In der Ecke steht Bier. Manchmal giebts auch 'nen kleinen "Nordhäuser" zur Erfrischung.
"Een jroßes Jlück vor den Jungen!", sagt der Vater - "der Bengel hat Schwein. Der verdient 'n scheenet Stück Jeld. Jotte doch - ett wäre ja grade nich nötig, aber na - ett is mal so!"
Und setzt Franz nicht Kegel auf, so spült er Flaschen, trägt Geschirr ab, "hilft die Damen" und - bekommt Bier in Menge! Was soll daraus werden? Spät in der Nacht, manchmal "gegen drei Uhr morgens" schwankt er heim - ermattet, halb bezecht ..."
(Agahd, Konrad: Kinderarbeit und Gesetz gegen die Ausnutzung kindlicher Arbeitskraft in Deutschland. Jena 1902. S.50)
(Text: Andrea Flöthmann)
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