Das Bild zeigt eine Szene nichtfamilialer Kinderbetreuung und -erziehung. Die Notwendigkeit einer außerhäuslichen Versorgung und Erziehung der Kinder im Alter von zwei bis sieben Jahren entstand seit dem späten 18. Jahrhundert aus den sich anbahnenden Umwälzungen des Arbeits- und Familienlebens. Zur Sicherung des Lebensunterhaltes mußten im 19. Jahrhundert alle arbeitsfähigen Familienmitglieder einem außerhäuslichen Erwerb nachgehen. Kinder im Vorschulalter belasteten die Familie, weil durch sie ein arbeitsfähiges Mitglied der Familie zur notwendigen Beaufsichtigung gebunden wurde. (Vgl. Erning, Günter: Geschichte des Kindergartens. Freiburg i.Br. 1987, S.17) "Wie manches bedrängte Weib wäre ihrer peinlichsten Sorgen entlastet, könnte den Ihrigen durch fleißige Arbeit und unermüdete Geschäftigkeit zu weiterm Emporkommen recht viel sein, wenn die Pflege ihrer Kinder bis zum vierten und fünften Jahre es nicht hinderte; wie manche muß die Kleinen verlassen und bebt nun im Kampf zwischen Brotsorgen und der Angst, wie es ihren armen Kindern ergehen wird, während sie fern ist. Wie manche bis dahin ziemlich bemittelte beginnt zu verarmen, sobald der Himmel ihre Ehe reichlich segnet, und betrachtet dann das schönste Geschenk Gottes, gesunde, zahlreiche Nachkommenschaft, als Bürde, als Unglück."
Allein die Betreuung mehrerer Kinder aus unterschiedlichen Familien durch eine einzige Person bot sich hier als ökonomische Lösung dieses Problems an. Wie auf dem Bild gezeigt, wurden häufig ältere, nicht mehr arbeitsfähige Frauen zur Beaufsichtigung bestimmt. Die Aufgabe der hier dargestellten Frau ist es, die Kinder bei ihren vielfältigen Beschäftigungen zu betreuen: Mit der Brille auf der Nase korrigiert sie erste Schreibversuche und gibt Anleitungen zum Lesen und Handarbeiten. Deutlich wird dadurch die doppelte Funktion dieser Einrichtung als Kleinkinderschule und Strickschule zugleich. |