Das Gemälde gewährt Einblick in das Kinderzimmer der drei Töchter des Künstlers, die sich unter Aufsicht der Kinderfrau mit ihren Puppen beschäftigen. Die Jüngste tollt auf dem Fußboden herum, um sie verstreut liegt weiteres Spielzeug. Hinter dem Puppenwagen sitzt eine der beiden älteren Töchter. Sie schaukelt eine Puppe auf ihren Knien. Das dritte Mädchen sitzt auf einem Stuhl am Fenster und näht an einem Puppenkleid. Der gleichen Arbeit geht auch das Kindermädchen nach. Vor ihr auf dem Tisch türmt sich eine Vielzahl von Puppenkleidern.
Daß alle abgebildeten Personen mit Puppen hantieren, läßt erahnen, welch große Rolle dem Puppenspiel in der Erziehung der Mädchen zukam: Sie sollten schon von Kind an auf ihre spätere "Aufgabe als ordnungshaltende und das bürgerliche Haus repräsentierende Dame" (Fertig, Ludwig: Zeitgeist und Erziehungskunst. Darmstadt 1984, S.145) und auf die Liebe im Umgang mit dem Kind vorbereitet werden. Je älter die Mächen wurden, desto ernsthafter gingen sie mit ihren Puppen um, bis sie sogar Interesse zeigten, sich an der Herstellung der Puppenkleider zu beteiligen. So erlernten sie das Nähen und Stricken.
Bei näherer Betrachtung des Zimmers, das die Mädchen zum Spielen nutzen, könnte der Eindruck entstehen, daß es sich hierbei eher um ein Wohnzimmer als um eine Kinderstube handelt. Das Mobiliar, die Kronleuchter an der Decke und das Gemälde über dem Bett lassen trotz der Spielsachen der Kinder keine kindgerechte Atmosphäre aufkommen. Dennoch war ein solches Kinderzimmer schon etwas Besonderes. Denn erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts begann man in wohlhabenden Familien, Kinderzimmer einzurichten, sofern genügend Platz und finanzielle Mittel zur Verfügung standen. Erstmals wurde das Kind nicht mehr als kleiner Erwachsener gesehen.
Man begann, Kinder als eigene soziale Gruppe zu respektieren und schenkte ihnen und ihrer Erziehung mehr Aufmerksamkeit als je zuvor. Die Erziehung wurde manchmal sogar zum zentralen Inhalt bürgerlichen Familienlebens. Eine neu geschaffene Lebenswelt sollte die Bedürfnisse der Kinder mehr berücksichtigen, als die Welt der Erwachsenen dazu in der Lage war.
"Das Kind nicht in Frieden zu lassen, das ist das größte Verbrechen der gegenwärtigen Erziehung gegen das Kind. Dahingegen wird eine im äußeren sowie im inneren Sinne schöne Welt zu schaffen, in der das Kind wachsen kann, es sich darin frei bewegen zu lassen, bis es an die unerschütterliche Grenze des Rechts anderer stößt, das Ziel der zukünftigen Erziehung sein."
(Ellen Key zitiert nach: Hildebrandt, Paul: Das Spielzeug im Leben des Kindes. Berlin 1904. Neuauflage Düsseldorf/Köln 1979, S.368)
Es wurde gefordert, jedem Kind einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem es schreien und toben durfte, der in freundlichen und hellen Farben gehalten war und der sich durch kindgerechtes Mobiliar auszeichnete, wie z.B. den Spielzeugschrank, den Kindertisch und den Kinderstuhl. Natürlich blieb all das in den meisten Fällen nur dem Bürgertum vorbehalten, welches durch die Industrialisierung an Macht und finanziellen Mitteln gewonnen hatte und sich so ganz der Kindererziehung widmen konnte, mit dem Ziel, das Kind zu einem nützlichen und vollwertigen Mitglied der Gesellschaft zu machen.
(Text: Uta Lipinski)
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