Textdokument 2 zu:
Hanefi Yeter; Analphabeten in zwei Sprachen, 1978

"Zur Auseinandersetzung mit einem Stück ganz aktueller Schulgeschichte will uns das Bild von Hanefi Yeter (geb. 1947), Analphabeten in zwei Sprachen (1978) aufrufen. Was in Pressemeldungen oder Stellungnahmen von Politikern als gesellschaftliches Problem mehr oder weniger engagiert, aber meist mit sachlicher Distanz vorgetragen wird, begegnet uns als persönliches Schicksal unmittelbar in den Schulen, besonders an den Schulen der industriellen Ballungsräume. Die Wandtafel mit ihren Satzfetzen und Kritzeleien könnte in vielen solcher Schulen angetroffen werden. 'Ayse darf nicht ...', ja, noch nicht einmal denken, was Gabi und Kay, ihre deutschen Mitschüler in der Zeichnung an der Tafel vorführen. Die Kultur und die Wertvorstellungen ihrer türkischen Eltern stehen in scharfem Gegensatz zur Welt, die Ayse täglich außerhalb des Elternhauses erlebt. Nicht nur in sprachlichem, sondern auch in kulturellem Zwiespalt, in keiner Sprache und Kultur wirklich verwurzelt, steht das Mädchen an das Tafelbord gelehnt, zwar dicht neben dem Jungen - wohl einem Landsmann - aber mit den zusammengenommenen Händen und dem starren Blick allein und isoliert. Und der Junge, der sich ebenso verschließt, wendet die Augen zur Seite."
 
(Schiffler, Horst/Winkeler, Rolf: Tausend Jahre Schule. Stuttgart/Zürich 1985, S.145)